Vor beinahe 10 Jahren habe ich aus therapeutischen Gründen angefangen diesen Blog zu schreiben. Wie so vieles, was ich angefangen habe, ist das im Sande verlaufen…
Nun ist es wieder soweit: ich muss Psychohygiene betreiben.
Mittlerweile bin ich Gesundheits- und Krankenpflegerin in einem Haus der Maximalversorgung im Süden des Landes.
Wie immer hat mich ein doch recht krummer und steiniger Weg hierher geführt.
Ich mache meinen Job wirklich gern. Auf der chirurgischen IMC hat mein rastloses Hirn immer gut zu tun. Nach nunmehr 2 Jahren Pandemie komme ich langsam aber sicher sehr nah an meine Grenzen.
Schon als ich die Ausbildung begonnen habe, lag im Gesundheitssystem nicht wenig im Argen, aber das schert ja keinen, so lange der Laden läuft.
In den letzten 2 Jahren ist das Ganze immer mehr ins Straucheln gekommen. Von 12.000 Intensivbetten zu Beginn der Pandemie sind gerade noch 9.000 übrig (laut Divi). Und anstatt sich wenigstens ein klitzekleines Bisschen darum zu kümmern, dass es uns Pflegenden etwas besser geht und wir nicht an Corona-Fällen ersticken, legt die Politik die Hände in den Schoß und wartet erstmal ab.
Wir brauchen eine funktionierende Personalbemessung wie z.B. PPR 2.0. Die liegt seit ca. 2 Jahren in Herrn Spahns Schublade. Er selbst hatte die Entwicklung eines solchen Instruments in Auftrag gegeben und dann das Ergebnis gekonnt ignoriert. Ist ja auch irgendwie nachvollziehbar, bei einem Mann, der eindeutig die Grundrechenarten nicht beherrscht.
Dann kommen solche Sätze wie „Es ist 10 nach 12“ oder eine Woche später „Es ist halb 1“. Ach nee?! Ich kann mich nicht entscheiden, 2 oder 3 Tage später?
Wir rackern uns ab, baden aus, was die Politik und Gesellschaft verbrochen haben, und sehen nach 2 Jahren noch immer kein Licht am Ende des Tunnels. Meinetwegen wären wir schon seit 4 Wochen im Lockdown. Einer angeschlagenen Wirtschaft kann man aufhelfen. Bei verstorbener und invalider Bevölkerung ist das nicht so einfach.
Und dann kommen die UNS mit einer Impfpflicht. Ich bin geimpft. Ich bin geboostet. Ich habe mich sofort impfen lassen, als es die Möglichkeit gab. Mit einem Wahnsinnsimpfpstoff, dessen Idee seit über 20 Jahren erforscht und getestet wird, der jetzt endlich funktioniert. Und ganz ohne Spätfolgen. Meine Erstimpfung war am 31.12.2019. Nach 3 von 6 Nachtdiensten.
Schon da wollte ich ums Verrecken kein COVID kriegen. Will ich auch immer noch nicht. Nicht nur, weil ich dank meiner Basistherapie vermutlich doppelt so lang krank wäre, wie ein Gesunder. Auch nicht, weil ich danach sehr wahrscheinlich noch einen Schub bekäme, bei dem Stress der letzten 2 Jahre und weil ich auf fiese Virusinfektionen fast immer mit einem reagiere. Ich hab eine Heidenangst vor Long-COVID.
Ich habe einen Kollegen, den das erwischt hat. Der ist jetzt bald ein Jahr damit krankgeschrieben…
Aber eine Impfpflicht für Pflegepersonal?!
Ich sage: Alle oder keiner.
So einfach ist das.
Ich will nicht einmal sagen, dass ich für eine Impfpflicht wäre…
Klar freue ich mich über jeden, der sich impfen lässt.
Aber irgendwo wäre es doch auch ein richtiges Signal.
Ihr habt Freiheit bekommen. Freiheit geht mit Verantwortung einher, die ihr nicht getragen habt. Das müssen wir Pfleger*innen die ganze Zeit austragen. Wer die Verantwortung für seine Freiheit nicht tragen kann, hat kein Recht mehr darauf. Entweder ihr verliert die Freiheit euch zu bewegen, wie es euch passt oder die Freiheit über eure Impfung zu entscheiden. Wie auch immer, klatschen gibt uns nicht die Kraft eure Fehler auszubaden.
Wenn ich dürfte, würde ich jeden Tag Schwurbler, Querdenker und Leugner ohne PSA über die Intensiv führen…
Und ich würde allen, die Angst haben und an der Impfung zweifeln, anbieten, ganz persönlich unter vier Augen alle offenen Fragen zu klären.
Vielleicht schreibe ich jetzt wieder öfter…
Weil ich schon Tage bevor ich wieder arbeiten muss, gern heulen würde. Aus Verzweiflung vor den Umständen, die mich dort erwarten.
In diesem Sinne: Lasst euch impfen und bleibt mit dem Arsch verdammt nochmal zu Hause!
PS: Ich habe sogar Gendersternchen benutzt!